Mobilität
14.03.21
Der Mazda MX – 30 kommt so daher, wie heute fast alle Autos daherkommen – als Geländewagen, der keiner ist, aussen etwas grösser und breiter als nötig, innen so gross, wie Mittelklassewagen seit 40 Jahren sind, Platz für vier Personen, allenfalls fünf, plus ein paar Koffer und Taschen Feriengepäck. Die Batterie soll für 170 Kilometer reichen. Das ist gerade Basel–Zürich und zurück, also ein für die Schweiz typisches Städtepaar, ideal mit dem Zug, aber manchmal braucht‘s ein Auto, wenn man nicht gleich vom Zentrum ins Zentrum fährt. Die Idee hinter der knappen Reichweite ist, dass die Batterie das mit Abstand schwerste und ressourcenintensivste Bauteil am Auto ist. Je kleiner die Batterie, desto ökologischer das Elektrofahrzeug. Und mit der leichteren Batterie wird auch die Karosserie leichter, der Reifenabrieb und der Energieverbrauch kleiner. Die meisten Leute fahren ohnehin nur 30 bis 40 Kilometer täglich.
Kork und Recyclingmaterial
Innen bietet der MX – 30 alles, was man von ihm erwartet – also möglichst nahe an einem Verbrenner. Kameras zeigen rundherum, was man gerade touchieren könnte, Piepser piepsen und melden. Soll-Geschwindigkeit und Ist-Geschwindigkeit werden in die Windschutzscheibe eingeblendet, es gibt alle möglichen Warnungen und Abstands- und Spurhalter. Das Auto ist die maschinengewordene Fürsorglichkeit, mit gouvernantenhafter Ernsthaftigkeit damit beschäftigt, jegliche autofahrerische Dummheit im Keim zu ersticken. Vieles ist unnötig, einiges vermisst man erst, wenn man es nicht mehr hat. Besonders wichtig ist die Totwinkelwarnung, die am Rückspiegel leuchtet und einen Warnton abgibt, wenn ein anderes Auto im toten Winkel fährt. An Lastwagen hätte ein solches System schon vielen Radfahrern das Leben gerettet. Innen haben sich mittlerweile viele Autohersteller aufs Upcycling verlegt, so auch Mazda. Innenverkleidungen, Sitze und vieles mehr sind aus rezyklierten Materialien, die alles andere als billig aussehen.
![]() |
Mazda startete ursprünglich als Korkhändler. Der Kork im MX - 30 stammt aus rezyklierten Weinkorken. Auch die Verwendung von neuem Kork ist ökologisch sinnvoll. Denn die Korkeichenwälder im Mittelmeerraum überleben nur, wenn sie gepflegt und die Bäume regelmässig fachgerecht geschält werden. |
Im Mazda gibt’s auch eine 220 - Volt-Steckdose für alle Geräte mit einem normalen Hausstecker. |
![]() |
Der Schluss ist logisch. Recycling ist zu einem grossen Teil Handarbeit und deshalb so teuer, dass es sich nicht lohnt, billige Ware daraus zu machen. Der einzige Ausweg ist, so teure und schöne Dinge daraus herzustellen, dass sich der Aufwand wieder lohnt. Recycling wird zum Upcycling. Neben Recyclingmaterialien verwendet Mazda auch Kork im Innenraum, auch er rezykliert und eine Reminiszenz an die Herkunft des Unternehmens als Korkhändler. Auch Kork ist ein unterschätztes Material und sinnvoll, wenn er frisch geerntet wird. Ohne die Korkgewinnung sind die Korkeichenwälder des Mittelmeerraums gefährdet. Je besser die Wälder gepflegt und die Eichen geschält werden, desto besser geht es dieser jahrhundertealten Kulturlandschaft.
Gegenläufige Türen
Doch bis ans Mittelmeer dürfte es der Mazda nur mit sehr vielen Ladestopps schaffen. Dafür ist er nicht gemacht – oder vielleicht noch nicht gemacht. Er ist das ideale Grosselternauto, allein schon deshalb, weil die hinteren, gegenläufig öffnenden Türen fest verschlossen sind, wenn die vorderen Türen zu sind. Kindersicherung überflüssig, Ruhe im Kanton, bis man im Ferienhäuschen im Grünen angekommen ist. Da wird die Batterie über Nacht neu geladen. Genau dafür ist der Mazda ideal. Oder er ist der Zweitwagen für die kurzen Strecken. Das ist dann das Gegenteil von Ökologie, aber eigentlich der einzige Wachstumsmarkt der Autobranche in Europa. Nur sagt das niemand wirklich gerne.
![]() |
Der Tacho steht zwar in der Mitte, doch die beiden wichtigsten Instrumente sind direkt daneben platziert: die Anzeige der Batterieladung (rechts) und der Rekuperation (links). |
Der Wählhebel für den Fahrmodus könnte auch aus einem Verbrenner stammen. Für viele Funktionen gibt es Druck- und Drehknöpfe zusätzlich zum Touch-Screen. Das ist angenehm und lenkt die Aufmerksamkeit nicht von der Strasse ab. |
![]() |
Aber die wichtigste Komponente im Interieur des Mazda ist die Anzeige für die verbleibende Reichweite. Die sinkt schneller, als die Zahl der gefahrenen Kilometer steigt, und sie sinkt schneller bei höheren Geschwindigkeiten. Die knubbelige Form mag modern sein, aerodynamisch ist sie nicht. Denn vor allem bei Geschwindigkeiten über 80 km / h hat der Luftwiderstand einen überproportionalen Einfluss auf den Verbrauch. Im Verbrenner merkt man das, wenn das Auto auch abwärts nach Gas verlangt, um die Geschwindigkeit zu halten. Und im Stromer zeigt die Anzeige, dass selbst auf längeren Autobahnrampen talwärts nichts rekuperiert wird, im Gegenteil. Deshalb haben fast alle modernen Elektroautos die falsche Form.
Rechnen in der Kälte
Noch schneller als bei schneller Fahrt sinkt die verbleibende Reichweite bei Aussentemperaturen um den Gefrierpunkt. Dann fängt es schon mal bei nur 147 Kilometern an und sinkt im Lauf von drei Kilometern mit Heizung und Lenkradheizung auf 133. So wird die Planung schwierig.
Dann beginnt das Rechnen – und hört erst wieder auf, wenn die verbleibende Reichweite definitiv nicht mehr für die Rückfahrt nach Basel reicht. Geübte Elektrofahrer haben dann schon die entsprechenden Schnellladestationen an den Autobahnen im Kopf, die App im Handy oder die nötige Software im Bordcomputer des Autos aktiviert. Andere schwitzen einen Moment. Aber alle grösseren Autobahnraststätten, etwa jene in Würenlos, haben prominent platzierte und fast immer freie Schnellladestationen. Sie lassen sich problemlos in die Fahrt einplanen. Die Planung einer Fahrt mit dem Elektroauto wird dann allerdings ähnlich wie die Planung einer Fahrt mit dem Zug, und dann beginnen die Vorteile der Bahn zu überwiegen, etwa mit der gewonnenen Arbeits- oder Ruhezeit im Zug, der ja auch elektrisch fährt.
Warten auf den Wankel
Doch dafür hat der Anarchist unter den Autoherstellern eine Lösung. Mazda hat gegen jeden Trend in der Autoindustrie jahrzehntelang den Wankelmotor am Leben gehalten. Im Moment gibt es zwar keine neuen Wankelautos mehr, aber der Kreiskolbenmotor soll als Mini-Range-Extender nächstes Jahr den MX – 30 wieder aufladen können, wenn ihm der Strom ausgeht. Der Motor soll kaum grösser werden als eine Schuhschachtel, und im Motorraum des MX – 30 ist genügend Platz für den Motor und all seine Nebenaggregate freigelassen worden.
Ein Wankel- oder Kreiskolbenmotor verfügt anstelle von Zylindern nur über eine oder mehrere sich sehr schnell drehende Scheiben in der Form eines leicht ausgebauchten gleichseitigen Dreiecks. Dabei ersetzt eine Scheibe im Vergleich zum normalen Motor drei Zylinder, drei Pleuel, sechs Ventile und zwei Zündkerzen. Wankelmotoren sind so mit viel weniger Teilen viel billiger, viel kompakter und viel umweltschonender zu bauen als herkömmliche Zylindermotoren. Sie eignen sich ideal, um alle paar Wochen einmal die Reichweite um die entscheidenden paar Kilometer zu verlängern, ohne dass das Auto täglich eine monströse Batterie mit sich herumschleppt. Und mithilfe des Wankels schafft man es dann auch ans Mittelmeer, mit regelmässigem Schnellladen, aber ohne liegen zu bleiben. Dann ist der MX – 30 definitiv nicht mehr nur das Zweit- und Grosselternauto, sondern auch das Erst- und Einzigauto für die Familie.
Neue Beiträge direkt in Ihre Mailbox – abonnieren Sie den energieinside-Newsletter