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zVg Schweizer Agrarmedien AG, Gian Vaitl, Sabina Bobst
e-Tankstellen

Die Bauernfamilie baut Energie an

Der Hof Unterbuck in Thayngen im Kanton Schaffhausen ist ein stattlicher Betrieb. 

In dritter Generation bewirtschaften Christian und Andrea Müller etwa 100 Hektaren, halten 350 Rinder und bauen Kartoffeln und Zwiebeln an. Doch sie bauen auch Energie an und nennen sich darum «Land- und Energiewirte».

Biogas für den Traktor

Die neuste Errungenschaft der Müllers ist die erste Biogastankstelle auf einem landwirtschaftlichen Betrieb in der Schweiz. Mit der eigenen Hofenergie fahren der eben gelieferte neue T6-Traktor von New Holland, mehrere lokale Kunden mit gasbetriebenen Autos sowie der Kehrichtwagen der lokalen Entsorgungsfirma Keller – ein zweiter Biogas-Müllwagen ist bereits bestellt. Ein sicherer Grossabnehmer war für Müllers wichtig. Den Anfang der Energiewirtschaft machten eine Holzschnitzelfeuerung sowie mehrere Photovoltaik-(PV-)Anlagen. Mittlerweile liefern 1200 Quadratmeter PV-Installationen auf den Dächern der Gebäude rund 200 000 Kilowattstunden (kWh) Strom pro Jahr.

Die Idee für eine Biogasanlage hatten Müllers bereits im Jahr 2006. Allerdings dauerte es sieben Jahre, bis die Baubewilligung eintraf. «Viele der damaligen Gegner sind heute Kunden unseres Wärmeverbunds», sagt Christian Müller. Denn ihre Biogasanlage stinkt nicht, wie die Gegner befürchtet hatten. Die Anlage verwertet nicht nur den eigenen Hof­abfall, den Mist der Rinder und die Reste der Kartoffel- und Zwiebelproduktion, sondern auch die biogenen Abfälle verschiedener benachbarter Bauernbetriebe sowie umliegender Gemeinden. So kommen jährlich 10 000 Tonnen Biomasse zusammen, aus denen die Anlage Biogas herstellt, also Methan.

Denn bei der Nutztierhaltung entsteht Methan, das unkontrolliert in die Atmosphäre gelangt. Methan ist aber sehr klimaschädlich. Durch die kontrollierte Vergärung von Mist und Gülle in der Biogasanlage entfallen nun diese Emissionen. Zudem ersetzt das Biogas den fossilen Dieseltreibstoff für den Traktor, womit dessen Betrieb CO2-neutral wird. Die Biogasanlage hat somit einen doppelt positiven Effekt aufs Klima.

Riesige Nachfrage nach Fernwärme

Mit dem Biogas erzeugt ein 360-Kilowatt-Gasmotor jährlich 2 000 000 kWh Strom für 400 Haushalte. Zudem versorgt er mit seiner Abwärme 250 Wohneinheiten, vier Gewerbebetriebe und ein Schulhaus mit Brauchwarmwasser und Heizwärme. Verteilt wird diese über einen Wärmeverbund, den Christian und Andrea Müller laufend auf- und ausgebaut haben: vom Haus zum Heizsys­tem für die angrenzenden Quartiere.

«Ende 2021 haben wir angefangen, strassenweise weitere Hauseigentümer in der Nachbarschaft anzufragen, ob sie sich an unser Fernwärmenetz anschliessen wollen», erzählt Christian Müller. «Es kamen laufend Zusagen herein, und die Liste der anvisierten zusätzlichen 60 Kunden füllte sich zusehends. Dann kam der 24. Februar 2022, als Russland die Ukraine angriff. Und plötzlich hatten wir eine Flut von Anschlussgesuchen. Jetzt haben wir viel mehr Interessenten, als wir überhaupt mit Energie versorgen können.»

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Ob aus der Munimast oder dem Anbau von Kartoffeln und Zwiebeln, auf dem Hof Unterbuck fällt viel Biomasse an. Statt dass es einfach in die Luft entweicht, wird das aus Methan bestehende Biogas zurückgehalten und betreibt ein Heizkraftwerk sowie Autos, die Müllabfuhr und den nagelneuen Traktor vom Typ New Holland T6. Meisterlandwirt Pascal Pletscher zeigt, wie schnell die Betankung geht. Danach bekommt der Kehrichtwagen seine Dosis Biogas.

Gas- und Elektrotraktoren

Die Tankstelle ergänzt die anderen Installationen ideal. Im Sommer fallen erntebedingt mehr Rüstabfälle oder sonstige landwirtschaftliche Abfallstoffe an. Somit wird der Treibstoff zu jenen Zeiten produziert, wo auch die Traktoren ihre Arbeitsspitzen haben. Schon jetzt produziert die Anlage genügend Gas, um neben den Kehrichtfahrzeugen und den laufend zahlreicher werdenden Privatfahrzeugen in der Umgebung auch alle fünf Traktoren des Hofs zu betreiben. Allerdings kann der Traktorhersteller New Holland noch nicht genügend Fahrzeuge liefern – die Produktion der Gastraktoren ist eben erst angelaufen.

Verschiedene Hersteller bieten mittlerweile auch elektrische Traktoren an. Dies sind aber meist kleinere Fahrzeuge, die sich vor allem für kommunale Dienste und die Arbeit direkt auf dem Hof eig­nen. Im Ackerbau sind aber bei Pflüg- und Erntearbeiten sehr grosse Kräfte über längere Zeiträume gefragt. Für solche Arbeiten sind Verbrennungsmotoren nach wie vor prädestiniert. Biogastraktoren sind deshalb keine Konkurrenz zu elektrischen Traktoren – die beiden Systeme ergänzen sich.

Bei beiden Systemen besteht noch Entwicklungsbedarf. Elektrische Traktoren sind noch sehr teuer. Dagegen können Biogastraktoren preislich mit Dieselmaschinen mithalten. Ihr Problem ist noch die Reichweite. Sie sind noch darauf angewiesen, nicht allzu weit von der Tankstelle entfernt zu operieren. Doch das ist lösbar, etwa mit Zusatztanks. Das sind aber Kleinigkeiten im Vergleich mit jenen Problemen, die Christian und Andrea Müller schon gemeistert haben.

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