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Kondukteure des farbigen Stroms
Gesellschaft

Kondukteure des farbigen Stroms

In der Schweiz werden Pro­duk­tion und Ver­brauch einer jeden Kilo­watt­stunde Strom do­ku­men­tiert. Ver­ant­wort­lich dafür ist die Pronovo AG in Frick.

Strom ist grün, blau, gelb oder grau, je nach­dem, ob er aus Wind-, Wasser-, Solar- oder Kohle­pro­duktion stammt – the­o­re­tisch. In der Re­a­li­tät sind die Elek­tro­nen im Strom­kabel nicht unter­scheid­bar. Die Farben erhält der Strom mit den Her­kunfts­nac­hweisen (HKN). Netz­be­treiber melden die Pro­duk­tions­zahlen aller Strom­er­zeuger in ihrem Verteil­gebiet der Pronovo AG im aargauischen Frick.

Die Firma ist eine hundert­pro­zentige Tochter des Über­tragungs­netz­be­trei­bers Swissgrid, wobei das Bundesamt für Energie (BFE) als Aufsichts­behörde agiert. Die Voll­er­fassung der Strom­pro­duktion ist seit 2013 Vor­schrift und teilt den Strom in zwei Kom­po­nenten: Energie und ökologischer Mehr­wert. Das ist jener Wert, der für ökologische Pro­duk­tion pro Kilo­watt­stunde drauf­ge­schlagen wird. Er be­deutet neben den Netz­nut­zungs­kosten, welche zu­sammen mit den Ge­bühren mehr als die Hälfte des Strom­preises ausmachen, den Unter­schied zwischen dem Markt­preis von etwa acht Rappen pro Kilo­watt­stunde und den 25 Rappen für Strom aus einer Solar- oder Bio­gas­anlage. Mit der Strom­pro­duk­tion werden so ein HKN und ein handel­bares Zer­ti­fikat für jede Kilo­watt­stunde Strom ge­ne­riert. «Entscheidend ist», sagt Hans-Heiri Frei, Leiter Her­kunfts­nach­weise und Förder­pro­gramme bei Pronovo, «dass jedes Zer­ti­fikat nach dem Ver­brauch des Stroms ent­wer­tet wird. Ein Zer­ti­fikat gleicht somit einem Bahn­ticket. Und wir sind die Kondukteure.»

«Ein Zertifikat ist wie ein Bahnticket»

Hans-Heiri Frei, Leiter Her­kunfts­nach­weise und Förder­pro­gramme bei Pronovo

Pronovo überprüft des­halb auch, ob niemand schwarz­fährt. Denn in der EU gibt es im Gegen­satz zur Schweiz noch nicht für die kom­plette Strom­pro­duk­tion HKN. Diese wurden erst später auf Atom-, Gas- und Kohle­kraft­werke oder be­ste­hende grosse Wasser­kraft­werke aus­ge­weitet. So geht man bei­spiels­weise davon aus, dass in der Wasser­kraft-Gross­macht Norwegen ohnehin der kom­plette Strom aus Wasser­kraft stammt. Gleich­zeitig treiben nor­wegische Firmen einen schwung­haften Handel mit Zer­ti­fi­katen, sodass unmöglich aller in Norwegen ver­brauchte Strom plus die ganze mit norwegischen Zer­ti­fi­katen hinterlegte Strom­menge aus Norwegen stammen kann. Das wären dann zwei Fahrten mit einem Ticket. «Der Qualitäts­beweis des Systems ist eine möglichst kleine Menge von Strom aus nicht über­prüf­baren Quellen», sagt Hans-Heiri Frei – und meint damit Grau­strom. Dessen Anteil ist in den letzten beiden Jahren von rund 17 Pro­zent auf 6,3 Pro­zent ge­fallen und sinkt weiter, weil alte Liefer­ver­träge aus­laufen. Dem System droht nun aber politische Schief­lage. Ohne Strom­ab­kommen mit der EU ist die gegen­seitige An­er­kennung der Zer­ti­fikate gefährdet. Damit wäre Schweizer Wasser­kraft in der EU Grau­­strom, ebenso wie Strom aus EU-Wind­parks in Schweizer Besitz in der Schweiz.

Der Strom soll noch viel far­biger werden

Die Strom­kenn­zeichnung soll sich aber auch weiter­ent­wickeln. So wäre es denk­bar, die jetzt jähr­liche Bi­lan­zierung näher an die Re­a­li­tät des phy­si­kalischen Stromm­arkts heran­zu­führen. Denn der Strom­handel funk­ti­oniert nicht jähr­lich, sondern steht am Über­gang von der Stunden- zur Vier­tel­stund­en­schärfe. So könnten in der Bi­lan­zierung der Her­kunfts­nach­weise zumindest vier­tel­jährliche oder gar mo­nat­liche Daten sinn­voll sein. Dann wären Zer­ti­fi­kate für Wasser- und Solar­strom im Früh­ling und Sommer, wenn es sehr viel Schmelz­wasser und Sonne gibt, eher günstig und würden im Winter teurer. Eine solche genauere Kenn­zeich­nung dürfte dann zu feineren Ab­stim­mungen bei den Pro­duk­tions­tech­nologien führen sowie andere Markt­signale erzeugen. Die Farb­palette des Stroms würde dann noch viel grösser, und die Kon­duk­teure müssten eine noch viel grössere Viel­falt an Tickets kontrollieren.

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