«Infernalische Lichtattentate»
Nur wenige Erfindungen haben die urbane Nacht so geprägt wie die Leuchtreklame.
Nur wenige Erfindungen haben die urbane Nacht so geprägt wie die Leuchtreklame.
Das Fussballstadion in München, im Volksmund «Schlauchboot» genannt, leuchtet je nach Situation oder Gegner in unterschiedlichen Farben.
Als der St. Moritzer Hotelier Johannes Badrutt an Weihnachten 1878 sein Hotel Kulm erstmals in elektrischer Festbeleuchtung erstrahlen liess, verkündete er kilometerweit: «Hier sind der Luxus und die modernste Technologie zu Hause.» Mittlerweile ist Leuchtwerbung so dominant, dass nur noch spezielle Ideen wie das «Schlauchboot» genannte Fussballstadion in München Aufsehen erregen. Es leuchtet, wie auch das Basler «Joggeli», je nach Match oder Gastmannschaft in unterschiedlichen Farben.
Pionierstadt der «Lichtwerbung» war ab 1896 Berlin. Von 1907 an baute der Konzern AEG «Elektrographen-Anlagen», mit oft mehreren Tausend, teilweise farbigen Glühbirnen, die durch clevere Schaltungen einzeln angesteuert werden konnten. Dadurch wurden farbige, bewegte Bilder möglich, aber auch laufende Schriftbänder mit Nachrichten und Sportresultaten.
Die Designer des Bauhauses und der «Roaring Twenties» nahmen die neuen Gestaltungsmöglichkeiten mit Licht und Werbung begeistert auf. Architekten jener Zeit bezeichneten Licht als den wichtigsten neuen Baustoff, während Gegner gegen die «Dolchstiche ins Auge» und «infernalischen Lichtattentate» wetterten, die «Gehirnaffektionen» hervorrufen würden. So schlimm war es dann doch nicht, und einige noch erhaltene historische Anlagen stehen in Deutschland mittlerweile unter Denkmalschutz. Moderne LED-Systeme eröffnen noch viel mehr Möglichkeiten. Am Neubau des Kunstmuseums Basel heben winzige LED-Lämpchen den Schattenwurf des Steinreliefs der Fassade auf. Damit scheint sich tagsüber der Stein der Fassade zu Buchstaben zu verfärben, und bei Dunkelheit schweben grosse Leuchtbuchstaben durch die Nacht.
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