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DLR, CC BY-NC-ND 3.0 / Nant de Drance, Sébastien Moret / Fraunhofer FEP
Ökologie

Welche Energie wollen wir speichern?

Energie lässt sich auf sehr viel mehr Arten speichern als nur in chemischen Batterien. Mit grosser Fanfare hat die Schweiz im September 2022 das neue Pumpspeicherkraftwerk Nant de Drance eingeweiht – eine gigantische «Batterie», die Wasser hochpumpt, wenn der Strom billig ist, und Strom produziert, wenn die Preise hoch sind. 
 

Meist pumpt und turbiniert das Werk zweimal täglich. Das lohnt sich nur, wenn der Preisunterschied zwischen Hoch- und Niedertarif mindestens 20 Prozent beträgt, denn so gross ist der vom Gesetzgeber maximal erlaubte Energieverlust. Spötter sagen denn auch, das Kraftwerk sei keine Batterie, sondern ein elektrischer Hedge Fund: ein Finanzinstrument, das sich die Marktschwankungen zunutze macht.

Zu jedem Erzeuger gehören Speicher

Und trotzdem ist auch Nant de Drance ein entscheidender Teil der Energiewende. Denn nur mit immer mehr Erzeugern geht es nicht mehr. Zu jedem Erzeuger gehört in der künftigen Energiewelt in einem gewissen Verhältnis mittlerweile auch ein Speicher. Allerdings muss dieser Speicher nicht unbedingt elektrisch sein. So gibt es Gasspeicher, Wärmespeicher, rezyklierte Speicher oder virtuelle Speicher – etwa Kühlhäuser, die bei Bedarf ein- oder ausgeschaltet werden können. Für den Hausgebrauch soll es nun endlich auch mit gebrauchten Batterien aus Elektroautos funktionieren. Diese Anwendung wird seit Jahren angekündigt, kam aber lange nicht voran, weil die Batterien viel länger halten als vorausgesagt, aber auch weil bisher jede einzelne Batteriezelle von Hand ausgemessen werden musste. Dies war bisher so teuer, dass die Batteriestapel aus gebrauchten Zellen teurer waren als neue Zellen. Die deutsche Firma Commeo GmbH löst das nun aber mit einer neuen Software, die automatisch die einzelnen Zellen so untereinander koordiniert, dass sie sich gegenseitig ausgleichen, womit sich das teure Ausmessen erübrigt.

Sommersonne im Winter

Solche Batteriespeicher eignen sich sehr gut als Tagesspeicher, etwa um tagsüber produzierten Solarstrom in der Nacht verfügbar zu machen. Wichtig wären allerdings auch Saisonspeicher, die überschüssige Solarenergie aus dem Sommer in den Winter bringen. Dafür muss der Speicher aber sehr gross und vor allem billig sein – und das geht nicht elektrisch. Das Fraunhofer-Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik hat sich dazu Gedanken gemacht und einen sogenannten Zeolith- Wärmespeicher entwickelt. Zeolithe sind Keramiken mit sehr grosser innerer Oberfläche. Wenn sie Wasser aufnehmen, geben sie Wärme ab. Das Material ist billig, unendlich lange haltbar und kann beispielsweise am selben Ort untergebracht werden wie ein Öltank.

Hat ein Haus nun eine Photovoltaikanlage, kann diese – sobald nicht mehr der ganze produzierte Strom im Haus verbraucht wird – mit dem überschüssigen Strom Wärme erzeugen und den Zeolith- Speicher austrocknen. Wenn dann ab Herbst geheizt werden muss, befeuchtet das System das Material, womit dieses seine Wärme über einen Wärmetauscher an den Heizkreislauf abgibt. Die Vorteile des Konzepts: Es lässt sich sehr gut mit bestehenden Infrastrukturen kombinieren, ist relativ billig und belastet im Winter im Gegensatz zu Wärmepumpen das Stromnetz nicht. Zeolith-Speicher könnten demnach den Bedarf an Winterstrom deutlich reduzieren, wenn sie anstelle von elektrischen Wärmepumpen verbaut würden.

«Energiespeicher sind entscheidend für die Energiewende.»

Kohlekraftwerke als Stromspeicher

Ähnlich denkt auch das Institut für Technische Thermodynamik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Es sieht grosse thermische Energiespeicher vor, welche die gespeicherte Wärme bei Bedarf wieder zu Strom machen können, aber auch als Fern- und Prozesswärme abgeben. Als Basis dafür sollen die riesigen Areale ausgedienter Kohlekraftwerke dienen. Dabei bleiben die Turbine und der Generator erhalten. Der Hochleistungsanschluss ans Stromnetz ist ebenfalls schon vorhanden. Die thermischen Speicher werden in die alten Kohlebunker eingebaut. Zum System gehören auch Solar- oder Windkraftanlagen, die nicht am Markt teilnehmen, sondern ab einer gewissen Sättigung des Strommarkts, d. h. ab einem gewissen Mindestpreis, aus dem Strommarkt genommen werden und nur noch Wärme generieren, die den Speicher lädt. Das hat auf den Strompreis eine stabilisierende Wirkung und erzeugt kalkulierbare Preise für die Wärme.

Bestechend an dem System ist, dass ein Grossteil der Infrastruktur, inkl. Netzanschluss, bereits vorhanden ist. Die endlosen Bewilligungsverfahren und Verzögerungen durch Gerichtsprozesse fallen weitgehend weg. Zudem beschränken sich die Baukosten auf den Bau der Speicher und den Erhalt der bestehenden Kraftwerke. Auch dieses System soll idealerweise täglich zweimal geladen und zweimal entladen werden.

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Wärmetransport per Container

Die Firma Kraftblock GmbH aus dem Saarland, einer traditionellen deutschen Stahl- und Kohleregion, baut Wärmetauscher in Container ein und befüllt die Container dann mit einem Granulat, das sehr viel Wärme aufnehmen kann. Die genaue Zusammensetzung verrät die Firma nicht, nur dass es hauptsächlich aus den Schlackenhalden in der Umgebung der ehemaligen Hochöfen kommt, ergänzt mit einigen Zuschlagstoffen. Das Material war schon einmal sehr heiss. Es verändert sich deshalb bei hohen Temperaturen nicht mehr. Zudem ist es sehr billig.

Die Speicher von Kraftblock taugen nicht nur für die zu Energiespeichern umgebauten Kohlekraftwerke des DLR. Ein sehr wichtiger Aspekt ist, dass sie mit ihren Wärmecontainern Abwärme transportierbar machen. Denn insgesamt entweichen zwei Drittel der von der Menschheit genutzten Energie ungenutzt als Abwärme. Selbst die Nutzung von Abwärme mit sehr hoher Temperatur (400–1000 °C) aus Zement- und Stahlwerken ist meist unwirtschaftlich, weil sie am falschen Ort anfällt. Doch mit den Wärmecontainern von Kraftblock kann beispielsweise eine Papierfabrik Hunderte von Tonnen Öl und Gas einsparen und stattdessen alle zwei Tage einen Zug mit Wärme aus einem Zementwerk anrollen lassen. Mit solchen Systemen wird Abwärme nicht nur transportierbar, sie bekommt auch einen Preis.

«Saisonale Wärmespeicher verkleinern den Wärmebedarf im Winter.»

So können Stahlwerke ihre gegenwärtig horrenden Energiekosten mit dem Verkauf von Abwärme teilweise kompensieren, ohne ein teures Leitungsnetz bauen zu müssen. Thermische Energiespeicher schaffen damit einen neuen marktwirtschaftlichen Anreiz zur Energieeffizienz.

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Nische für Wasserstoff

Das geht nicht nur mit Schlacke aus alten Deponien, sondern auch mit Vulkangestein. Dieses war ebenfalls schon einmal sehr heiss und ist auf der ganzen Welt in grossen Mengen billig verfügbar. Auch andere Verfahren wurden entwickelt, etwa mit Metallen oder mit sogenannten Phase Change Materials für Latentwärmespeicher: Beim Übergang vom festen in den flüssigen Aggregatzustand und umgekehrt nehmen diese sehr grosse Mengen an Wärme auf oder geben sie ab. Dabei handelt es sich meist um Salze, die sich in flüssigem Zustand auch pumpen lassen und damit grosse Wärmemengen schnell übertragen können.

Sogar Wasserstoff wird wohl eine Nische finden: zum einen in Form von «Power-to- Gas», um überschüssigen Strom im Gasnetz speichern zu können, zum andern in kleinen Kartuschen als Notstromaggregate, etwa in Mobiltelefon- Sendemasten, wo Batterien zu teuer oder zu schwer sind. Immer mehr zeigt sich: Energiespeicherung umfasst künftig ein sehr viel breiteres Gebiet als nur Batterien und Stauseen.

DIE «BATTERIE EUROPAS »

Die Schweiz gilt mit ihren Wasserkraftwerken als «Batterie Europas». Allerdings reicht die Kapazität bei Weitem nicht für ganz Europa. In den letzten Jahren sind zwar mit Limmern GL, Veytaux VD und Nant de Drance VS drei grosse neue Pumpspeicherkraftwerke in Betrieb gegangen. Doch der Ausbau weiterer Anlagen, insbesondere die Aufrüstung bestehender Kraftwerksanlagen mit Pumpen, stockt. So sind gegenwärtig rund zwanzig Projekte sistiert, sogar solche mit gültiger Baubewilligung, etwa Lago Bianco am Berninapass oder der Ausbau des Göscheneralpsees im Kanton Uri. Obwohl die Umweltverbände hinter den Projekten stehen und die Bauarbeiten jederzeit starten könnten, geschieht nichts, weil die langfristige finanzielle Stabilität nicht gesichert ist.

Mehr zum Lago Bianco, der unvollendeten Batterie

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