Die alte Energiewelt war ziemlich einfach. In den grössten Einheiten wurde der Strom produziert und ins Höchstspannungsnetz eingespeist. Dann verästelte sich das System von den dicken Strängen immer feiner bis zu den Kaffeemaschinen und Rasierapparaten der Konsumenten. Diese Welt ändert sich nun dramatisch. Da, wo früher nur konsumiert wurde, wird nun auch produziert, vor allem mit privaten Solaranlagen. Plötzlich gibt es damit im Verteilnetz nicht mehr die bisherigen, immer feineren Äderchen. Da fliesst an einem Ort plötzlich kein Strom mehr und an einem anderen viel mehr als ursprünglich vorgesehen, etwa weil in einer früher praktisch verbrauchslosen Tiefgarage plötzlich mehrere Elektroautos gleichzeitig geladen werden. Solche Schräglagen im Stromnetz sind mit den bisherigen Messmethoden schwierig zu erkennen. Aufgrund dieser unscharfen Informationen reissen Netzbetreiber oft unnötig und manchmal sogar an falschen Stellen die Strassen auf und installieren dickere Kabel.
Daten von Smartmetern grenzen Probleme im Netz metergenau ein
Ein Team von Technikern, Ingenieuren und Informatikern von Siemens Schweiz, der Universität Lugano und der Fachhochschule Nordwestschweiz in Brugg/Windisch hat deshalb zusammen mit dem Netzbetreiber Arbon Energie AG nach neuen Wegen gesucht. Die Stadt am Bodensee wurde ausgesucht, weil das ganze Verteilgebiet der Arbon Energie AG seit längerem vollständig mit intelligenten Stromzählern ausgerüstet ist. Dagegen sollen gemäss Gesetzesauftrag in der ganzen Schweiz erst Ende 2027 in 80 Prozent aller Haushalte Smartmeter den Stromverbrauch messen. Die lückenlose Abdeckung mit Smartmetern in Arbon erlaubt es, den Netzzustand mit dem genauen Zustand aller Leitungen zu erheben und grafisch darzustellen. Damit weiss der Netzbetreiber ganz genau, an welchen Punkten zu welchen Zeiten Überlastungen auftreten. Falls Netzverstärkungen nötig sind, kann er nun punktgenau graben, statt einfach mit einer grossen Sicherheitsmarge viel mehr Kupfer in den Boden zu versenken. Und oft muss man im Gegensatz zu früher überhaupt nicht mehr die Strassen aufreissen. Wenn die Lage des Engpasses dank der genauen Messungen präzis bekannt ist, kann man ihn auch mit cleverem Schalten entschärfen. Denn wer die Daten der Smartmeter richtig nutzt, muss weniger graben – auch wenn viel mehr Solarstrom ins Netz gelangt als früher.
Das Forschungsprojekt SCCER (Swiss Competence Center of Energy Research) in Arbon wurde durch ein Förderprogramm von Innosuisse, der Schweizerischen Agentur für Innovationsförderung (früher KTI), finanziell unterstützt. Ziel des Programms ist die Entwicklung von Methoden und Lösungen für den nachhaltigen und stabilen Betrieb des Energienetzes bei der Umsetzung der Energiestrategie 2050.