Die Empa und ihre über 140 Partner betreiben im NEST interdisziplinäre Forschung auf allen Ebenen. NEST steht für «Next Evolution in Sustainable Building Technologies». Das Gebäude bildet die Plattform für wechselnde Experimente.
Philipp Heer, Leiter Energy Hub, NEST«Das NEST ist der Kern unseres Quartiers und stellt die zentrale Infrastruktur zur Verfügung.»
Das jüngste Quartier von Dübendorf ist dreistöckig übereinandergeschichtet und lädt als Bewohner Forscher und Firmen ein, die sich Gedanken machen zur Stadt der Zukunft. «Das NEST ist der Kern unseres Quartiers und stellt die zentrale Infrastruktur zur Verfügung», sagt Philipp Heer, der die Energieforschung im NEST koordiniert. Dieser Kern besteht aus dem zentralen Turm mit Empfang, Treppen und Liften, Erschliessungskanälen und drei Betontablaren. Im NEST gibt es Wohnungen, in denen Menschen permanent wohnen, und Büros, in denen gearbeitet wird – und sogar einen Fitnessclub. «Bei uns können Firmen ihre Ideen testen und weiterentwickeln, ohne Angst vor juristischen Konflikten und ausufernden Garantieleistungen zu haben», sagt Philipp Heer.
Wände aus Pilzen, robotisch gefertigte Armierungen
Und solche Ideen gibt es viele. Die Holzmodule für eine Wohnung im NEST wurden von Robotern in Millimeterbruchteil-Genauigkeit hergestellt. Eine andere Wohnung ist so gebaut, dass sie von zwei Leuten mit einem Akkuschrauber zerlegt werden kann. Es gibt Wände, die aus Pilzen gezüchtet wurden, und in einem anderen Gebäudeteil hat ein Roboter direkt auf der Baustelle eine aussenliegende Armierung gefertigt, die gleichzeitig auch als Schalung einer geschwungenen Betonwand dient. In einem weiteren Modul wird mit neuen Scheiben experimentiert, in die winzige Spiegelchen eingelassen sind. Sie sollen zwar Licht immer hereinlassen, aber die Wärme der hoch stehenden Sommersonne aussperren und sie nur im Herbst und Winter hereinlassen, wenn die Sonne tief steht.
Die Themen Wärme, Kälte, Klima und Energie ziehen sich durchs ganze NEST. So werden hier neue Solarpanels getestet, die effizient und ästhetisch auch an Fassaden eingesetzt werden können und nicht nur auf Dächern. Wie in einem richtigen Quartier ist hier Tag und Nacht etwas los. Immer kocht oder duscht jemand oder strampelt im Fitnessclub. Dort schaut man sich vor allem den grossen Wärme- und Wasserverbrauch von Duschen und Saunen an, zusammen mit der Migros, welche einer der grössten Betreiber von Wellnesscentern in der Schweiz ist. Das orange M erhofft sich mit Technologien aus dem NEST signifikante Einsparungen.
Es klappt nicht. Das muss so sein.
Dass das nicht ganz einfach ist, sieht man im Keller des NEST, mit seinem Gewürm aus Leitungen, den Wärmepumpen, Pufferspeichern, Batterien und Supercap-Kurzzeitspeichern für Strom. Hier kann man messen und regeln und sogar ein Quartier-Stromnetz als Inselnetz betreiben. Die Wärme für die finnische Sauna im Fitnesscenter wird über eine Hochtemperatur-Wärmepumpe erzeugt und fliesst von da in die kühleren Dampf- und Biosaunas. Ein Hersteller für Steuerungsanlagen für Heizungen und Klimasysteme testet hier neue Durchflussmesser und Steuergeräte. Das sind Smartmeter für Wärme. Nachdem die Geräte installiert waren, ging erst einmal zwei Tage lang nichts mehr. Nicht auszudenken, wenn das in einem realen Quartier passieren würde. Aber genau dafür ist das NEST da. Es darf erst mal nichts funktionieren, damit es nachher klappt.
«Urban Mining» – die städtische Mine
Einer der wichtigsten Forschungsschwerpunkte im NEST sind Stoffflüsse und der ökologische Fussabdruck von Baumaterialien. Allein die Zementfabriken emittieren in der Schweiz rund sieben Prozent des menschengemachten CO2 , mehr als die Fliegerei. Sinnvoll wäre es deshalb, Materialien nicht nur zu rezyklieren, sondern wiederzuverwenden, egal ob Heizungsradiatoren, Parkettböden, Holzbalken oder Dachziegel. «Urban Mining» nennt sich das, der urbane Bergbau. Allerdings benötigt man dafür ein Kataster, das verzeichnet, welche Dinge in den Siedlungen überhaupt vorhanden sind und wann sie zur Verfügung stehen könnten. Solche Kataster gibt es bereits, etwa für Asbest, weil es gefährlich ist. Nun bräuchte es ein ähnliches Verzeichnis für nützliche Dinge.