Am Gotthard hätte im Zweiten Weltkrieg die Alpenfestung verteidigt werden sollen. Noch heute ist nicht klar, weshalb. Der Erste Weltkrieg war ein Krieg der Artillerie. Grosse Geschütze pflügten in permanenten Kanonaden ganze Landstriche um und verwandelten sie in Mondlandschaften. In den Jahren danach planten die Militärstrategen deshalb mit viel Beton und grossen Kanonen, während Infanteristen mit Tornister und Gewehr ein Ding der Vergangenheit schienen.
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Das standardisierte Maschinengewehr 08/15 hatte sie zwischen den Schützengräben in Flandern zu Millionen weggemäht. Flugzeuge schienen zur Aufklärung und für gelegentliche Luftkämpfe gut, für Bomben reichte die Leistung erst bedingt. Auch hier waren Kanonen kampfstärker. Allerdings ist den Planern nicht entgangen, dass das riesige, von Igor Sikorski als Zehnplätzer konstruierte Flugzeug «Ilya Muromets» ab 1914 mit schweren, sehr leistungsfähigen Funkgeräten bis zu sieben Stunden über einem Kriegsschauplatz kreisen konnte. Aus grosser Höhe funkte es der russischen Artillerie – von Flugabwehrkanonen und deutschen Jagdflugzeugen völlig ungestört – genaue Informationen zu Zielen und Treffern.
In diesem Geiste entstanden die Festungen auf dem Gotthard, aber auch die französische Maginot-Linie, die als uneinnehmbarer Wall gegen jede deutsche Aggression galt und welcher Militärplaner in ganz Europa nacheiferten. Denn bis 1939 galt die französische Armee, und nicht etwa die deutsche Wehrmacht, als die stärkste Armee Europas. Die Deutschen haben die Maginot-Linie denn auch nicht eingenommen. Sie haben sie umgangen.
70 Festungen in den Alpen
War der Festungsbau in der Schweiz schon in der Zwischenkriegszeit intensiv, steigerte er sich im Zweiten Weltkrieg ins Fieberhafte. An 70 Stellen in den Alpen entstanden riesige Anlagen. Das Reduit wurde im Osten begrenzt durch die Festungen Sargans und Mels und im Westen durch St-Maurice. Die grössten Anlagen in den Zentralalpen waren jene am Gotthard. Im Wallis gibt es unterirdische Festungen mit einem Höhenunterschied von 1000 Metern – mit Liften und Standseilbahnen für die Munition und Treppen für die Soldaten. Gemäss der «Reduitstrategie», der «Alpenfestung», von General Henri Guisan, sollte sich die Armee in die Alpen zurückziehen und die Pässe so blockieren, dass es keinen Sinn ergeben hätte, die Schweiz anzugreifen.
Guisans Strategie war umstritten, auch wenn er immer betonte, die Schweiz habe ihre erste Schlacht verloren, wenn sie angegriffen würde. Das «Reduit» zwang einen Grossteil der Schweizer Männer während Jahren zum Nichtstun in die Berge. Ihre Frauen mussten auch die Jobs der Männer übernehmen und fühlten sich schutzlos vor einem befürchteten deutschen oder italienischen Angriff, während die Männer in relativer Sicherheit in den Alpen sassen. «Was bringt es, Felswände und Gletscher zu verteidigen, während sich der Feind in den lebenswichtigen Landwirtschafts- und Industriegebieten des Mittellandes breitmacht?», wurde sogar innerhalb des Offizierskorps höhnisch gefagt.
Alle Kanonen zielen auf Mussolinis Restaurant
Doch Guisan handelte nach damaligem bestem Wissen und Gewissen. Dass die Vorstellung der modernen Artillerieschlacht während des Kriegs von Infanteristen und Pferden aus den Angeln gehoben wurde, war nicht sein Fehler. Im Ersten Weltkrieg stammten die häufigsten Verletzungen von Artillerieeinschlägen und Granatsplittern, im Zweiten Weltkrieg waren es Schussverletzungen. Der Erste Weltkrieg war ein Krieg der Eisenbahnen, der Zweite ein Krieg der Schuhsohlen und Pferde – mit gigantischen Fussmärschen, wie man sie seit der Zeit Napoleons und seiner Grande Armée in Russland nicht mehr gesehen hatte. Aber das war Guisan egal. Er wollte nirgends hin. Er wollte sich in den Alpen und im Jura eingraben und einen Angriff auf die Schweiz so unattraktiv wie möglich machen, egal ob nun die Deutschen die Maginot-Linie umgehen, in die Schweiz vorstossen oder ob Italien am Splügen, San Bernardino, Gotthard oder Passo San Giacomo angreifen wollte. Dorthin hatte Benito Mussolini eine Strasse bauen und zwei Eisenbahnwagen hochtransportieren lassen, als Restaurant – und als Provokation.
Von diesem «Verpflegungspunkt» aus hätten italienische Truppen nur noch gemächlich das Bedrettotal hinuntermarschieren müssen und wären nach wenigen Kilometern am Portal des Gotthard-Eisenbahntunnels angekommen. Erst die Fertigstellung der Festung Sasso da Pigna im Dezember 1944 auf dem Gotthard verhinderte dies – und einer Handvoll weiterer Schweizer Festungen, deren Kanonen sternförmig auf den Passo San Giacomo zielten und einen italienischen Aufmarsch dort so hätten pulverisieren können wie die schwere Artillerie im Ersten Weltkrieg die unglücklichen Städtchen der Westfront.
Der General baute für die Ewigkeit
Henri Guisan, der kleine alte Herr zu Pferd, der selten Deutsch sprach, übte auf die Deutschschweizer Soldaten eine starke Faszination aus. Man vertraute ihm. Aktivdienstleistende erinnerten sich noch nach Jahrzenten ehrfürchtig an «den General». Er wollte keine schnell hingepfuschten Bauwerke und bestand auch in der Hast des Kriegs auf Qualität. «Diese Bauwerke sollen auch kommenden Generationen jahrzehntelang Sicherheit geben», betonte er.
Die Festungen wurden denn auch wirklich noch jahrzehntelang weiterbetrieben und erst Ende der 1990er-Jahre oder später ausser Betrieb genommen – obwohl einige sogar noch um die Jahrtausendwende mit dem hochmodernen, weitreichenden Bison-Geschütz ausgerüstet wurden. Damit wäre dann, Jahrzehnte nach dem Ende des Kalten Kriegs, der Zweite Weltkrieg definitiv mit den Mitteln des Ersten Weltkriegs zu gewinnen gewesen.
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