Upcycling XXL mit einer Ölpipeline
In Graubünden soll statt Öl künftig Strom fliessen. Das Projekt hat in Europa höchste Priorität.
In Graubünden soll statt Öl künftig Strom fliessen. Das Projekt hat in Europa höchste Priorität.
PET-Flaschen werden rezykliert, Kleider weiterverwendet und Baumaterialien teilweise auch. Aber was geschieht mit einer stillgelegten Ölpipeline? Claudio Gianotti, Chef der im Bereich von Gaslieferungen tätigen Firma Worldenergy im südbündnerischen Soazza, hat genaue Vorstellungen. Er möchte in einer alten Ölpipeline ein Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungskabel (HGÜ) installieren, das Strom zwischen der Schweiz und Italien transportiert. Gianottis bisherige Vorarbeit war dabei so überzeugend, dass es sein Projekt mit dem Namen Greenconnector auf die Liste jener Stromleitungsprojekte geschafft hat, die in Europa höchste Priorität haben.
Die Ölleitung Oleodotto del Reno ist eine von drei Pipelines, die in den 1960er-Jahren durch die Alpen gebaut wurden. Der Oléoduc du Rhône führte von Genua ins Wallis und wurde 2015 stillgelegt. Der Oleodotto del Reno pumpte Öl von Genua via Graubünden nach Ingolstadt. Das gleiche Ziel hat auch die Transalpine Ölleitung (TAL) von Triest her via Tirol. Nur die TAL ist noch in Betrieb. Am Oleodotto del Reno wurden einige Teile zur Gaspipeline umgebaut, doch der grosse Abschnitt über die Alpen ist seit 1997 nicht mehr betriebsfähig.
In das Rohr mit rund 60 Zentimeter Durchmesser sollen nun zwei Gleichstromkabel mit je etwa 10 Zentimeter Durchmesser eingeführt werden. Mithilfe von Wechsel- und Gleichrichteranlagen nördlich von Mailand und in Graubünden würde die Leitung wieder in die nationalen Höchstspannungsnetze münden.
Seit Jahren sind die Übertragungskapazitäten zwischen Italien und der Schweiz zu klein. Doch neue Hochspannungsleitungen zu bauen, ist aufgrund der unendlich vielen Einsprachen und der Hunderten nötigen Durchleitungsrechten fast nicht möglich. Für den Greenconnector besteht der komplette Korridor bereits. Und weil das Kabel in ein bereits bestehendes Rohr eingezogen würde, wären selbst beim Bau die Eingriffe in die Umwelt kaum sichtbar, und beim Betrieb mit Gleichstrom entsteht kaum Elektrosmog. Mittlerweile hat es der Greenconnector auch in der Schweiz in den SÜL geschafft, den Sachplan Übertragungsleitungen, als eines der ganz wenigen privaten Stromleitungsprojekte. Damit wird der Perimeter der Ölpipeline freigehalten. Nun geht es um weitere rechtliche und planerische Eingaben beim Bund.
Dann geht es um die Finanzierung. Eine Gleichstromleitung ist sehr viel teurer zu bauen als eine Freileitung. Greenconnector nennt keine Zahlen. Doch Experten gehen von etwa 800 Millionen Franken aus, trotz der bereits bestehenden Rohrleitung. Für ein privat finanziertes Projekt sind möglichst grosse Strompreisunterschiede zwischen der Schweiz und Italien wichtig. Gegenwärtig ist das noch nicht immer der Fall. Berücksichtigt man aber die Zeit für Bewilligung, Planung und Realisierung, wird Greenconnector etwa gleichzeitig mit der Abschaltung von Kohle- und Atomkraftwerken in Betrieb gehen. Dann könnte sich das Preisgefüge ändern. Wann mit dem Bau begonnen werden kann, ist aber noch nicht klar, da die entsprechenden Entscheide der Behörden noch nicht vorliegen.
Aber Claudio Gianotti ist ein geduldiger Mensch. Er hat die Arbeiten am Greenconnector während vieler Jahre zusammen mit seinem Team von Ingenieuren weitergeführt. Der Greenconnector würde die Stromversorgungssicherheit in ganz Europa massiv verbessern. Aber auch das Upcycling einer alten Ölpipeline hätte ökologisch einen gigantischen Wert und wäre ganz im Sinne einer modernen Welt, welche die Dinge weiter nutzt, statt sie wegzuwerfen.
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