Bildstrecke , Ökologie
13.03.23
Lehm hatte in Europa jahrhundertelang einen schlechten Ruf. Er war immer schon der Baustoff der Armen, und Europas Kolonialisten verachteten die Baukultur der kolonisierten Gebiete, vor allem in Afrika. Das ab wertende Wort «Lehmhütte» war deshalb immer auch ein Synonym für Armut und Rückständigkeit. Doch traditionelle Lehmbauten sind technisch und architektonisch komplex, werden oft mehrere Hundert Jahre alt und sind thermisch so träge, dass sie tagsüber kühl und in der Nacht warm sind. Deshalb hat etwa Mali eine lange Tradition von Lehmbauten. Seine grossen Lehmmoscheen gehören zum UNESCO-Weltkulturerbe. In Europa wurden im 19. Jahrhundert mit vielen Leuten und aus billigstem Material sogenannte Pisé-Häuser gebaut, also Stampflehmbauten. Ein sechsstöckiges Pisé-Haus in Weilburg in Deutschland aus dem Jahr 1826 gilt als das höchste Lehmhaus der Welt.
Mittlerweile ist Lehmbau in der modernen Architektur angekommen. Stampflehm – mit seiner sichtbaren Schichtung – ist nicht mehr Arme Leute-Technik, sondern aufwandbedingt sehr teuer. Trotzdem gibt es wieder mehr Stampflehmbauten, etwa das Etoscha-Haus im Basler Zoo, das Lehmhaus in den Meriangärten am Stadtrand von Basel oder das spektakuläre neue Besucherzentrum der Vogelwarte Sempach. Es wurde aus vorgefertigten Elementen zusammengesetzt, angeliefert per Lastwagen. Lehm kann Wärme und Feuchtigkeit schnell aufnehmen und schnell wieder abgeben. In Häusern mit viel Lehm bleiben Temperatur und Luftfeuchtigkeit immer relativ konstant. Die Luft ist weniger trocken, die Bewohnerinnen und Bewohner sind seltener krank.
Die Industrie bietet Verputze, Lehmziegel, Lehmfarben oder auch Lehmplatten mit integrierten Heizleitungen an, die an die Wände montiert werden. Schon ein Anstrich mit einer Lehmfarbe kann das Raumklima verbessern. Eine moderne «Lehmhütte» bedeutet deshalb vor allem wertvollere Bausubstanz und mehr Komfort.
Tradition trifft auf 4 Hightech: Das Ergebnis ist ein Lehmhaus aus dem 3-D-Drucker. Das einzigartige Gebäude namens TECLA entstand in Norditalien aus der Zusam-menarbeit zwischen dem Architekten Mario Cucinella und der 3-D- Druck-Firma WASP.
In Mali steht das grösste sakrale Lehmgebäude, die grosse Moschee von Djenné. Seit 1988 gehört das Bauwerk zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Das Besucherzentrum der Vogelwarte Sempach fügt sich mit seiner Stampflehmfassade harmonisch in die Umgebung ein.
Schlicht um Schicht: Die Stampflehmwände unterstreichen den skandinavischen Stil des von Patrick Krecl geschaffenen Kunstateliers und lassen viel Raum für Kreativität.
Realisiert vom renommierten Basler Architekturbüro Herzog & de Meuron, ist das Ricola-Kräuterzentrum einer der grössten Lehmbauten Europas.
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