Jährlich verbraucht diese Industrie so viel Wasser, dass man 37 Millionen olympische Schwimmbecken damit füllen könnte. Zudem beinhalten rund 60 Prozent der Kleider Plastik aus fossilen Brennstoffen. Ein Drittel davon landet wiederum als Mikroplastik in den Weltmeeren. Schon jetzt ist dieser Wirtschaftszweig für zehn Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Das ist mehr als der gesamte Flug- und Schiffsverkehr. Wächst die Branche im selben Tempo weiter wie anhin, wird sie im Jahr 2050 für einen Viertel des gesamten CO2-Ausstosses verantwortlich sein. Und da sind jene Emissionen noch gar nicht mit eingeschlossen die entstehen, wenn die Altkleider irgendwo auf der Welt auf riesigen Müllhalden landen. Jene 59’000 Tonnen, die in der chilenischen Atacama Wüste abgeladen wurden, lassen sich von blossem Auge aus der Internationalen Raumstation ISS erkennen.
EU reagiert mit neuen Zielvorgaben
Lösungen tun Not, vor allem auch, weil der Markt seit Jahren von Billigkleidern – im Fachjargon «Fast Fashion» genannt – überflutet wird. Die Zeiten, als Kind und Kindeskinder die Kleidungsstücke vorderer Generationen austragen mussten, sind definitiv vorbei. T-Shirt, Hose und Schuhe eignen sich zunehmend vor allem auch aus qualitativen Gründen zum Einweg-Gebrauch.
Die Europäische Union (EU) reagiert auf die Situation nun mit neuen Zielvorgaben. So sollen bis im Jahr 2030 die Hälfte der in der Textilindustrie verwendeten Materialien wiederverwertbar und 25 Prozent vollständig kreislauffähig sein. Und bis 2050 sollen alle Materialien vollständig im Kreislauf geführt werden. Die Schweiz, in der täglich 160 Tonnen Altkleider anfallen (Quelle: Quantis, 2024: Stoffströme von Alttextilien in der Schweiz, im Auftrag des BAFU), reagiert mit dem Projekt «Fabric Loop» auf die neuen Herausforderungen. Diese Branchenlösung unter der Schirmherrschaft des Schweizer Textilverbandes Swiss Textiles stützt sich dabei auch auf den Bundesrat, der im April 2025 das Postulat «Verwertung gebrauchter Textilien in der Schweiz» des SP-Nationalrats Roger Nordmann gutgeheissen hat.
Industrie reagiert mit Innovation
Der Verein «Fabric Loop», bei dem neben Swiss Textiles auch namhafte Modemarken wie Switcher, Calida, PKZ, Patagonia oder Mammut beteiligt sind, versucht durch innovative Massnahmen einen nachhaltigen textilen Kreislauf herzustellen. Der wichtigste Aspekt ist dabei die Erarbeitung eines einheitlichen Recyclingsystems, das über die erweiterte Produzentenverantwortung (EPR) aufgebaut werden soll. Alles soll zentral organisiert werden, um dabei textile Ressourcen im Inland zu behalten und so Kreisläufe zu schliessen. Ein vorgezogener Recyclingbeitrag – so wie dies bei elektrischen Geräten längst üblich ist – hilft, die dafür benötigten Infrastrukturen, Technologien und Dienstleistungen zu finanzieren.
Die ersten Anzeichen für einen erfolgreichen Start sind gegeben, lassen doch bereits einige noch junge Schweizer Firmen mit innovativen Recycling-Methoden aufhorchen. So ist es dem Unternehmen Säntis Textiles gelungen, aus gebrauchter Baumwolle eine neue Faser herzustellen, die sich zu 100 Prozent wieder nutzen lässt. Das kommt einer Revolution gleich, ist doch die Baumwolle einerseits das beliebteste Material, weil es angenehm zu tragen und schonend zur Haut ist, andererseits aber belastet der Anbau von Baumwolle die Umwelt massiv, weil der Verbrauch von Wasser und Pestiziden sehr hoch ist. Noch diesen Herbst lanciert Säntis Textiles in Zusammenarbeit mit E. Schellenberg Textildruck sowie ISA Sallmann eine Loungewear-Kollektion aus 100 Prozent rezyklierter Baumwolle. Im Wallis wiederum ist es dem Start-up DePoly gelungen, verschmutzte Polyester-Abfälle ohne Einsatz fossiler Brennstoffe chemisch in eine rohe Ausgangsform zurückzuverwandeln.
Der Weg zu Slow Fashion
Der Wandel von «Fast Fashion» zu «Slow Fashion» beginnt sich abzuzeichnen, auch wenn der Weg ein langer sein wird. Wer sich beim Kauf neuer Kleider informieren möchte, welche Hersteller sich einem nachhaltigen Kreislauf verschrieben haben und wer noch mit einem Sündenregister belegt ist, der kann sich bei der gemeinnützigen Organisation «good on you» informieren. Auf deren Website, die von Wirtschaftsfachleuten, Nachhaltigkeitsexperten und Technologieentwicklern betrieben wird, findet sich das Rating von Hunderten bekannter und weniger bekannter Modemarken.