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Bibliothèque de Genève Bildlegende: Eine Frachtbarke bringt ihre Ladung nach Genf. Weil die Segler am Sonntag nicht fahren durften, gab es jeweils ab Mitternacht Rennen über den See. Die Gewinner hatten die besten Anlegeplätze.
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Wie die Lateinersegel in die Schweiz kamen

Galeeren, Genfer Furcht und Berner Behäbigkeit. Das Lateinersegel war eine Revolution, aber eine schleichende, leise. Es ist ein dreieckiges Segel, das längs des Schiffs geführt wird und an einer etwa mittig steil schräg am Mast befestigten Spiere befestigt ist.

Wahrscheinlich heisst es so, weil für Nordländer, die es hin und wieder nach Süden verschlagen hatte, alles, was südlich der Alpen stattfand, lateinisch war. Denn den tüchtigen Seefahrern im Norden war diese Segelform fremd. Sie fuhren mit Rahsegeln, rechteckigen Tüchern, die an quer zur Fahrtrichtung angebrachten Rahen befestigt waren. Damit kam man vor dem Wind gut vorwärts, mit Wind querab schon weniger, und gegen den Wind aufkreuzen war praktisch unmöglich.

Das Segel des Mittelmeers

Die viel grösseren Lateinersegel erlaubten auch bei ungünstigem Wind ein flottes Vorwärtskommen – mit deutlich weniger Personal. Nachweisbar sind sie in Griechenland schon vor dem 1. Jahrhundert vor Christus und haben dann den Mittelmeerraum über die Römerzeit hinaus bis etwa ins 17. Jahrhundert derart dominiert, dass mit der Zeit gar nichts anderes mehr unterwegs war auf dem Wasser. Erst mit deutlich grösser werdenden Segelschiffen tauchten dann wieder vereinzelt Rahsegel auf.

Der Genfersee (Lac Léman) war als Grenzgewässer im Mittelalter zwar eine umstrittene Region, aber schiff­fahrts­technisch doch eher abgelegen. Damals herrschten die Berner über die Waadt und waren mit dem Stadtstaat Genf verbündet. Ihnen gegenüber standen die Savoyer, denen sie misstrauten. Zudem wollte im 17. Jahrhundert die damals mächtigste Seefahrer­nation der Welt, die Holländer, einen Kanal den Rhein und die Aare hoch, durch Bieler-, Neuenburger- und Genfersee in die Rhone bauen. Sie wollten damit ihre verhassten Feinde, den spanischen Zweig der Habsburger, auf dem Weg ins Mittelmeer umschiffen. Ironischerweise hätte der neue Seeweg genau unter dem Stammschloss der Habsburger, der Habsburg bei Brugg, durchgeführt. Ein Teil des Kanals, der «Canal d’Entreroches», ist sogar gebaut worden – von Yverdon am Neuenburgersee bis über die Wasser­scheide. Doch dann ging das Geld aus.

Ein Spion warnt, aber den Bernern ist es egal

So machte man sich am Léman immer wieder Gedanken, wie denn der Transport und die Verteidigung auf dem Wasser aussehen könnten. Zwar waren Kriegsschiffe auf dem Léman durch einen Vertrag der Anrainer­staaten verboten. Gebaut wurden sie trotzdem immer wieder. Im Herbst 1671 tauchte auf dem See die «Saint-Charles» auf, ein imposantes Schiff von über 30 Meter Länge und mit einer Fracht­kapazität von mehr als 100 Tonnen, angetrieben von grossen Lateinersegeln und – im Falle der häufigen Flauten – von 24 Ruderern. Die Savoyer hatten für seinen Bau Schiffbauer aus Genua angeheuert, die ihnen ungefähr gleichzeitig eine ganze Flotte solcher Schiffe bauten, offiziell Handels­schiffe, praktisch aber Kriegs­schiffe. In Genf war man sehr beunruhigt und schickte den bei der Stadt beschäftigten Festungs­baumeister Maximilien Yvoy zur unauffälligen Erkundung der Werft nach Thonon. Als Niederländer kannte er sich auch mit Schiffen aus. Seine Zeichnung des halbfertigen Schiffs zeigte klar die Stückpforten: jene Klappen, hinter denen sich bei Kriegs­schiffen die Kanonen verstecken. Die Genfer waren alarmiert, liessen das Schiff bei seiner Jungfernfahrt erst nach einer kompletten Durchsuchung in den Hafen und schickten Yvoys Zeichnung als Beweis der akuten Bedrohung an die verbündeten Berner. Die nautisch wenig begabten gnädigen Herren hielten das für eine weitere dieser üblichen nervösen Genfereien, archivierten die Zeichnung und vergassen sie. Darum ist sie bis heute erhalten geblieben.

 

Die Galeere «La Liberté»

Das grösste Segelschiff auf dem Genfersee ist die Galeere «La Liberté», die ab 1992 im Rahmen von Arbeitslosen­projekten gebaut wurde, zumal es im damaligen wirtschaftlichen Umbruch in der Genferseeregion sehr viele qualifizierte Handwerker ohne Arbeit gab. 2001 wurde das Schiff schliesslich zu Wasser gelassen: ein hölzerner Koloss von 55 Meter Länge und 9 Meter Breite in der Art der Schiffe, die zwischen dem 14. und dem 18. Jahrhundert auf dem Genfersee im Auftrag der Herzöge von Savoyen unterwegs waren. Ihren letzten Kriegseinsatz auf dem See hatten jene Galeeren 1798, als die Franzosen Genf und die Waadt eroberten. Allerdings gab es im Gegensatz zu den Barken in den Archiven keine genauen Pläne für Galeeren. Die Erbauer der Galeere fanden schliesslich in den Archiven in Paris einen Schiffstyp, der im 17. Jahrhundert auf dem Mittelmeer unterwegs war und etwa den Galeeren des Léman entsprechen dürfte. Denn auch die Schiffe des Léman wurden von Schiffbauern aus Genua, Nizza oder Livorno gebaut. Die «Liberté» wird von drei grossen Segeln oder 41 Rudern bewegt. Zur Sicherheit gibt es zwei Diesel­motoren und moderne Rettungs­ausrüstungen. Jahrelang war sie eine grosse Attraktion auf dem Genfersee. Doch die Zukunft des Schiffs ist ungewiss. Nicht alle Einrichtungen entsprechen den aktuellen Vorschriften, dem Förderverein fehlt es an Geld, und für gewisse Unterhalts­arbeiten am Unterschiff, die bei einem Holzschiff regelmässig ausgeführt werden müssen, sind die Werftanlagen am See zu klein, sodass mit teurer Spezial­ausrüstung gearbeitet werden muss. Während der Coronavirus-­Pandemie waren zudem überhaupt keine Fahrten möglich, lediglich ein Auftritt an einer Gewerbe­ausstellung. Und so liegt das Schiff nun fast immer untätig bei Morges vor Anker. Doch der Verein setzt alles daran, um das grösste Holzschiff auf europäischen Binnenseen wieder öffentlich zugänglich zu machen.

 

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