Interview mit Gabriela Hug, Sie ist Elektroingenieurin ETH
Sie arbeitet als ausserordentliche Professorin am Institut für elektrische Energieübertragung der ETH Zürich und forscht dort am Stromnetz der Zukunft. Die 39- Jährige ist verheiratet und Mutter dreier Kinder.
Bei der Energiestrategie 2050 (vgl. Kasten) geht es auch um den Umbau des Stromnetzes. Warum?
In Zukunft werden wir nicht mehr nur grosse Kraftwerke haben, sondern auch eine Vielzahl dezentraler kleiner Stromerzeuger, z. B. Photovoltaikanlagen. Dies verändert die Anforderungen an das Stromnetz. Zudem werden Stromkonsumenten auch zu Stromproduzenten, was die Fliessrichtung des Stroms umkehren kann. An all dies muss das Stromnetz angepasst werden.
«Die Stromversorgung ist ein riesiges System mit sehr vielen Komponenten.»
Gabriela HugElektroingenieurin ETH
Sie selbst arbeiten am Stromnetz der Zukunft. Welche Rolle spielt hier die Informations- und Kommunikationstechnologie (ICT)?
Die ICT, also Computer und Datenübermittlung, wird immer wichtiger. Teil davon ist, dass bis Ende 2027 mindestens 80 Prozent der Endverbraucher mit intelligenten Stromzählern, sogenannten Smartmetern, ausgerüstet sein müssen. Diese Messgeräte liefern jede Viertelstunde einen Messwert. Durch sie und weitere Messgeräte im Netz können die Vorgänge im Stromnetz besser abgebildet werden. Smartmeter sind ausserdem die Voraussetzung für ein effizientes Lastmanagement. Dabei geht es darum, den Stromverbrauch so weit wie möglich der momentanen Produktion anzupassen – statt umgekehrt. Insbesondere träge Systeme wie Wärmepumpenheizungen oder Kühlgeräte bieten sich hierzu an. Auch das Laden von Elektroautos eignet sich dafür. Ein weiteres Thema ist, Photovoltaikanlagen über die Erzeugung sogenannter Blindleistung zur Spannungsregelung einzusetzen und so das Netz zu entlasten. Für all dies braucht es zusätzliche ICT.
Kann die ICT den Ausbau des Stromnetzes überflüssig machen?
Es braucht beides. Die neuen Pumpspeicherkraftwerke Linth-Limmern und Nant de Drance zum Beispiel müssen über Höchstspannungsleitungen an das schweizerische Übertragungsnetz angeschlossen werden. Doch auch die ICT kann ihren Beitrag leisten, indem sie hilft, das bestehende Netz besser zu nutzen.
Die kurzen Messintervalle von Smartmetern lassen Rückschlüsse auf das Verhalten der Gebäudenutzer zu. Was lässt sich dagegen tun?
Dieses Datenschutzproblem ist ebenfalls Gegenstand unserer Forschung. Eine Idee ist, mit einem Batteriespeicher zu einer Photovoltaikanlage und der entsprechenden Regelung den Stromkonsum aus dem Netz so zu verändern, dass Rückschlüsse auf das Verhalten der Bewohner erschwert werden.
Führt die Energiestrategie 2050 zu mehr Netto-Stromimporten und zum Bau von Gaskraftwerken?
Dies hängt von sehr vielen Aspekten ab. Die Stromversorgung ist ein riesiges System mit sehr vielen Komponenten. Statt von Einzelaspekten zu sprechen, ist Systemdenken angezeigt. Das ist nicht einfach – auch die Politik tut sich manchmal schwer damit. Die Kommunikation zwischen Technikern und Politikern ist deshalb sehr wichtig. Wir sollten uns nicht voreilig auf eine bestimmte Richtung festlegen, sondern alle Optionen prüfen und dabei auch in Erwägung ziehen, die Rahmenbedingungen zu ändern.
Energiestrategie 2050
Nach dem Reaktorunglück von Fukushima im Jahr 2011 hat die Schweiz den schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen. Für den dafür notwendigen Umbau des Schweizer Energiesystems hat der Bundesrat die Energiestrategie 2050 erarbeitet. Diese setzt auf die Steigerung der Energieeffizienz, die Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energien, den schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie und die Anpassung des Stromnetzes. Am 21. Mai 2017 haben die Stimmenden das revidierte Energiegesetz angenommen und damit dem ersten Massnahmenpaket zur Umsetzung der Energiestrategie 2050 zugestimmt.